(Zum vornherein möchte ich sagen, dass ich mich sehr über den Weltmeistertitel der Tschechischen Republik freue, auch wenn es in den folgenden Sätzen nicht immer zum Ausdruck kommt.) Die 64.WM ist Vergangenheit. Glücklicherweise blieben wir vor Attentaten, gewalttätigen Diebstählen, Lebensmittelvergiftungen oder anderen Unglücken, wie sie einige tschechische Zeitungen mit Anti Russland Propaganden prophezeit hatten, verschont. Nicht einmal das erwartete Disaster des Tschechischen Teams trat ein. Genau das Gegenteil passierte: DIE TSCHECHEN WURDEN ERNEUT WELTMEISTER! Im Tschechoslowakischen Final schlugen die Tschechen ihre slowakischen Brüder mit 5-3 und verteidigten somit ihren Weltmeistertitel. Alle tschechischen Zeitungen würdigten und priesen unsere Hockeyspieler auf den Titelblättern. Die tschechischen Fans trafen sich wieder auf dem alten Stadtplatz in Prag um das Finalspiel auf einer Grossleinwand mitzuverfolgen. Diesmal vereinigten 25’000 Fans auf dem Platz. Wieder und wieder konnte man ergreifende Worte hören wie doch dieses kleine Land im Herzen von Europa alle Probleme, von welchen die Nationalspieler geplagt wurden, überwunden habe, ja sogar besser als alle andern sei und die Goldmedaille gewonnen habe. Ich werde selbst keine solchen Worte mehr anfügen. Für mich persönlich ist die Goldmedaille der Tschechischen Hockeyspieler ein überwältigendes Erlebnis, aber wenn ich auch mit übertriebenen Worten dazu beitrage, so kann ich selbst nicht mehr dahinterstehen. Ich kenne die andere Seite der Sieger-Geschichte eifach zu gut.
Die Tschechischen Hockeyspieler erlebten das Gefühl der Unschlagbarkeit. Sie kritisierten unglaublich viel und nicht mehr objektiv die Leistung der Schiedsrichter in den entscheidenden Spielen, den Schlüsselspielen. Nach ihrer einzigen Niederlage während des ganzen Turniers - gegen Finnland - gaben die Spieler dem Schiedsrichter, obwohl er das ganze Spiel korrekt geleitet hatte, zu verstehen er sei ein Einfaltspinsel, der gar nicht wisse, was überhaupt vor sich gehe auf dem Eis. Nach dem Finalspiel gegen die Slowakei beschuldigten die Spieler den kanadischen Schiedsrichter Acheson zu Unrecht wegen der vielen Strafen des Tschechischen Teams, denn in fast allen Fällen hatten sie die Strafen verdient. Auch eine Antwort von Jiri Dopita, einer der besten Stürmer des Turniers unterstreicht die Überheblichkeit des Teams. Er wurde zur Vorbereitung des Spiels gegen die Letten befragt und antwortete: „Ich werde keinen Letten sehen bis das Spiel beginnt. Ich glaube, das genügt...“ Das tönte nicht gerade sehr sympathisch... Übrigens, die unabhängige ausländische Presse spekulierte über die Hilfe des Schiedsrichters den Tschechen gegenüber in diesem Spiel...
Die Tschechen sollten nicht vergessen, wie glücklich sie das letzte Jahr waren auf ihrem Weg zum Titel. Auch im Jahr 2000 hatten sie nicht weniger Glück. Es ist zwar so, dass die tschechischen Spieler dieses Jahr unabhängig von den Resultaten der andern Teams Gruppensieger wurden, aber nicht unabhängig von andern individuellen Fehlern. Arthurs Irbe gestand den Tschechen ein sehr wichtiges Tor (wobei die grossartige Auffassungsgabe/Wahrnehmung von Vaclav Varada auch erwähnt sein sollte), im folgenden Powerplay das infolge eines Protestes zustandekam, konnten die Tschechen das Führungstor erzielen; in einem andern Überzahlspiel, über welches jeder vernünftige Fan nur lachen konnte, erzielten die Favoriten das entscheidende Goal.
Im Spiel gegen Kanada siegten die Tschechen vor allem dank Roman Cechmanek, welcher der Respekt aller tschechischen Fans verdient. Die Kanadier spielten übermächtig und waren immer einen Schritt schneller. Manchmal hatte ich das Gefühl es sei nur noch eine Frage der Zeit bis die „Ahornblätter“ den Puck einmal über die Torlinie brächten. Aber ein katastrophaler Fehler von José Theodore aus heiterem Himmel und die Kanadier waren in jeder Hinsicht in der schlechteren Ausgangsposition, nachdem der Captain der Tschechen, Robert Reichel, ihr Goalie hart gecheckt hatte und dieser sich das ganze Spiel nicht mehr davon erholte.
Im Finalspiel schliesslich waren die Tschechen besser als das andere Team, in diesem Fall die Slowakei. Dieses Jahr waren wir, im Gegensatz zum letzten Jahr, nicht auf die Mithilfe von andern angewiesen, aber ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, dass die Weltmeisterschaft von andern für das Tschechische Team gewonnen wurde. So zum Beispiel von Irbe, Theodore, den Trainern von Finnland und den U.S.A., der Solidarität des russischen Teams und der „Originalmethoden“ des schwedischen Hockeys.
Um objektiv zu sein, Arthurs Irbe hat ein grossartiges Turnier gespielt. Es war vor allem ihm zu verdanken, dass Lettland die Viertelfinals erreichte. Auch in diesem Spiel hat er sehr gut gespielt, aber sein einziger Fehler kam im unglücklichsten Moment. Jose Theodore wurde ins zweite All Star Team gewählt. Abgesehen davon ist aber zu sagen, dass er seinem Team in entscheidenden Momenten nicht den nötigen Rückhalt gewähren konnte. Dank dem Kabelfernsehen TSN konnte ganz Canada zusehen wie der undefinierbare Pass oder Schuss Robert Reichels zum entscheidenden Tor führte. Im Spiel um die Bronzemedaille passierte ihm ein ähnliches Missgeschick bei einem Schuss von Tuomainen. Übrigens auch sehr fragwürdig die Nomination von Martin Prochazka (Tschechische Republik) zum wertvollsten Spieler des Turniers.
Wenn ich ein finnischer Fan wäre, könnte ich wohl kaum die komischen Entscheidungen von Mister Hannu Aravirta akzeptieren. Die SM Liga wird als die beste in Europa angesehen. Dieses Jahr wurde TPS Turku finnischer Meister dank ihrer ersten Linie Rintanen-Nurminen-Kallio. Diese drei kamen in einer solchen fliessenden Bewegung und einem perfekten Zusammenspiel aufs Eis, dass sie alle Gegenspieler übertrafen und diese kapitulierten. Pateras Blaue Linie zu den goldenen Zeiten von AIK Stockholm spielte ähnlich. Die sogenannte Springerlinie Hentunen-Kapanen-Parsinen war diejenige, die für Hämelina die Bronzemedaille gewann oder zumindest einen grossen Beitrag dazu leistete. Pasi Nurminen, der Goalie von Jokerit Helsinki, vereitelte viele grosse Chancen der andern Teams während der Saison und viele Leute sagten er habe alleine die Silbermedaille für das Team gewonnen. Nicht nur die tschechischen Spieler, die in der SM Liga spielen, dachten, dass Nurminen der beste der drei Nationaltorhüter sei, die aufgeboten wurden für die WM. Aravirta aber liess sich nicht beeinflussen von andern Ansichten und wählte einen Weg, der sich schlussendlich nicht als die beste Lösung herausstellte.
Nurminen war sowohl während der Saison, als auch in den Playoffs der beste Skorer der finnischen Liga, aber er wurde trotzdem nicht ins WM Kader aufgenommen. Stattdessen wurde Jokinen selektioniert. Ähnlich erging es Parsinen, der nicht aufgeboten wurde, dafür an seiner Stelle Lind. Das Talent Nurminen war nur dritte Wahl für Aravirta. Obwohl sowohl Toskola als auch Sulander in ihren ersten Spielen gegen Österreich respektive Canada erbärmlich/miserabel spielten, schenkte der Coach ihnen weiterhin das Vertrauen und selektionierte sie auch für die entscheidenden Spiele. Im Halbfinal, dem wichtigsten Spiel der Saison enttäuschte Toskala erneut. Endlich, im Spiel um die Bronzemedaille kam der Torhüter von Jokerit zum Einsatz und er rechtfertigte ihn, indem er eine sehr gute Partie bot und an seine Leistungen in der SM Liga anknüpfen konnte.
Die andern zwei finnischen Angriffslinien mit den Veteranen Helminen und Tikkanen spielten viel schlechter als beide Linien, die aus Spielern der SM Liga bestanden, mit Ausnahme des Bronzespiels, in dem die Linie mit Helminen sich sehen lassen konnte (zeigte ein paar gute Kombinationen auf dem Eis). Beide Veteranen erinnerten einem nur an die vergangenen Zeiten. Vor allem der berühmte linke Flügel Esa Tikkanen konnte das Tempo nicht mitspielen; die Zeiten der Kombinationen mit Wayne Gretzky sind schon lange vorüber... Trotzdem müssen das aber nicht die letzten WM Spiele von Tikkanen gewesen sein, wenn man seinen eigenen Worten Glauben schenkt. Wer weiss wie die zwei nicht berücksichtigten Spieler von Turku und Hämelina sich in Szene gesetzt hätten, aber auch Lind und Jokinen könnten in Zukunft die Basis einer auffallenden/verblüffenden Linie bilden. Obwohl die Finnen soviele NHL Spieler in ihren Reihen hatten wie noch nie, waren es nicht genug um die letztjährige Position zu verteidigen.
Der Coach der U.S.A., Lou Vairo, hat italienische Vorfahren, kennt die Hälfte der slowakischen Nationalspieler der 90er Jahre, war Assistenzcoach während des „Wunders auf dem Eis“ in Lake Placid, führte das U.S. Team an den Olympischen Spielen in Sarajevo und war zwei Jahre als Assistent der New Jersey Devils tätig. Trotz all dieser Fakten setzte er auf den falschen Mann. Robert Esche hätte der Star dieser Weltmeisterschaften werden können, aber für die Amerikaner ist die NHL die NHL (mit andern Worten das ein und alles, es gibt nichts besseres), egal was passiert. Es muss gesagt werden, dass Demian Rhodes gegen die Schweden gut gespielt hat, auch wenn er drei Tore hinnehmen musste. Aber im Spiel gegen die Schweiz hinterliess er keinen souveränen Eindruck und was noch wichtiger ist, er wiederholte seine magere Leistung im Viertelfinale gegen die Slowakei, was den U.S.A. alle Chancen auf eine Medaille raubte.
Das russische Team - ein Fall für sich... Die Russen, die in der Tschechischen Republik wohnen, mussten sich mehr als eine Erniedrigung/Demütigung gefallen lassen (manchmal mögen es die Tschechen von einem Extrem ins andere zu wechseln) und bräuchten nicht das Eishockey dazu. Eishockey ist zwar keine politische Angelegenheit, trotzdem kosteten viele tschechische Journalisten das Versagen der Russen aus. Die russischen Stars kamen nach Europa weil sie ihr Land repräsentieren wollten; sie schafften es aber nicht sich zu einem kompakten Team zusammenzuschliessen. Die Spieler von Europa und der NHL spielten nicht als eine Einheit und das Vertrauen in den talentierten Torhüter Bryzgalov stellte sich als fatalen Fehler für das russische Team heraus. Bryzgalov ist dank der Fürsprache von Vladimir Tretjak, der gerade als russischer Spieler des Jahrhunderts ausgezeichnet worden war, in die Mannschaft gekommen. Sein nicht-orthodoxer Stil ist nicht angekommen, aber die Karriere dieses jungen russischen Goalies steht noch bevor. Die billigen Tore, die er hinnehmen musste, holten die Russen auf den Boden der Realität zurück und der andere Torhüter, Podomackij, kam erst zum Einsatz als es schon zu spät war.
Einzig Schweden hat die ganze Saison systematisch auf das Scheitern an der WM hingearbeitet. Die Trainer der Clubs wechselten sich ab und vor jedem internationalen Turnier war es wieder ein anderer. Jeder von ihnen hatte natürlich seine Stammspieler und so konnte sich keine Stammmannschaft zusammenfinden. Das Positive der schwedischen Trainer war, dass sie die Vormachtstellung der NHL nicht beachteten und nicht davor zurückschreckten Eriksson,Verteidiger der Chicago Blackhawks, nach Hause zu schicken nachdem er sich während den Vorbereitungsspielen schlecht benommen hatte.
Die Tschechen und die Slowaken haben von all diesen Problemen profitiert. Obwohl zwölf tschechische Spieler sich weigerten für das Nationalteam zu spielen und der Coach, Ivan Hlinka, nach Pittsburg gezogen war, blieb das Stammteam der Tschechen unverändert. Ein harter Brocken für jeden Trainer, genannt Roman Cechmanek sprang auf dem Torhüterposten ein, Frantisek Kucera übernahm die Führung und Organisation der Verteidigung und die zwei Stürmer Robert Reichel und Jiri Dopita übernahmen eine wichtige Rolle.
Das Slowakische Team war gut zusammengesetzt worden von dem jungen Trainer Jan Filc. Das Team um Miroslav Satan hatte letztlich auch einen guten Torhüter, Jan Lasak, im Rücken. Bisher waren die Slowaken dafür bekannt, dass sie keine guten Goalies hatten, aber jetzt sieht die Zukunft besser aus. Lasak ist ein sehr junger und unerfahrener Torhüter, aber er ist der beste in der Slowakei. Der Schachzug auf einen jungen Torhüter zu setzen, den die Amerikaner und Finnen nicht wagten, zahlte sich für Filc aus. Der Haupttrainer der Slowaken übersah nicht, dass der bisherige Stammtorhüter Pavol Rybar mehr Spiele für das slowakische Nationalteam bestritten hatte als in Znojmo (tschechische Liga) dieses Jahr! Die Slowaken erreichten ihren grössten Erfolg in der Eishockeygeschichte. Die Leistung von Satan war wirklich teuflisch! Er schoss die Tore in den wichtigsten Momenten der Spiele und war für viele Betrachter der wertvollste Spieler des Turniers, knapp gefolgt von Roman Cechmanek.
Die ersten acht Teams der WM dieses Jahr waren statistisch gesehen praktisch gleichauf wie ein Jahr früher, ausser dass das russische Team von den Letten ersetzt wurde. Wie auch immer, dieses Jahr war voller grosser Überraschungen; die Aussenseiter feierten beachtliche Siege. Norwegen schrieb mit dem sensationellen Sieg über Canada Geschichte; Weissrussland und Lettland gewannen das erste Mal in der Geschichte gegen Russland und die Slowaken erreichten unerwarteterweise das Finalspiel.
Das unglücklichste Team der WM war ohne Zweifel Frankreich. Frankreich besiegte die Schweiz nach einer heldenhaften Leistung in der Qualifikationsrunde und nur ihr Scheitern gegen die U.S.A. und eine mirakulöse Vorstellung der Schweizer gegen die Russen, schickten das Team in die Relegationsrunde. Nach einem Unentschieden gegen Österreich verloren die Franzosen gegen die Ukraine, obwohl sie in der Schlussphase nochmals stark Druck gemacht hatten. Am letzten Tag der Ligaqualifikation führte Frankreich gegen Japan mit 4-1 und die Ukraine mit 2-0 gegen Österreich, was bedeutet hätte, dass die Franzosen in der obersten Spielklasse geblieben wären. Aber die Österreicher kämpften sich zurück und das ganze französische Team weinte in der Garderobe nach dem Schlusspfiff...
Die Japaner können sich freuen, da sie die Aussicht haben nächstes Jahr wieder in der höchsten Klasse dabeizusein. Sie werden in der Qualifikationsrunde gegen China, Südkorea und andere Länder mit etwa gleichviel Hockeytalent antreten müssen. Es ist eigentlich nur eine Formalität diese Spiele überhaupt durchzuführen. Zum Glück wird die Regel der Kontinentenvertretung Asiens nur noch das nächste Jahr angewendet.
An der diesjährigen WM wurde es offensichtlich, dass die Unterschiede zwischen den Teams immer kleiner werden. Das einzige Team, das klar abgefallen ist, war Japan. Wie auch immer, die Offiziellen des Tschechischen Hockeyverbandes zeigten sich uneinsichtig. Sie schlugen vor die WM 2003 in der Tschechischen Republik mit nur zwölf Teams zu spielen um Geld zu sparen. Alle Leute auf der ganzen Welt, die das Eishockey lieben, sollten einsehen, dass nur Wettbewerbshockey bei dem alle Topteams mitspielen zu einer Weiterverbreitung des Eishockeys beitragen.
David Schlegel
P.S. Es ist mir nicht entgangen, dass neben Cechmanek, Dopita, Kucera und Reichel sich auch andere Spieler wie Sykora, Vyborny, Prospal, Varada und Kaberle fantastisch in Szene setzten. Dieser Artikel ist einfach aus einer andern Betrachtungsweise geschrieben.
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